Sonderkündigungsschutz für Schwangere – nachträgliche Klagezulassung bei Schwangerschafts-Schnelltests
Grundsätzlich muss sich jeder Gekündigte binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht melden und Kündigungsschutzklage einreichen, wenn er sich gegen eine Kündigung wehren möchte – ansonsten wird die Kündigung wirksam, vergl. §§ 4,7 KSchG. Nur in Ausnahmefällen kann eine Kündigungsschutzklage nachträglich zugelassen werden, wenn der Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zumutbaren Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig einzureichen, vergl. § 5 KSchG.
Mit einer besonderen Fallkonstellation einer gekündigten Schwangeren hat sich jetzt das BAG mit Urteil vom 03.04.2025 – 2 AZR 156/24 – beschäftigt.
Was war passiert?
Die Klägerin war bei der Beklagten beschäftigt, die das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30.06.2022 kündigte. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin am 14.05.2022 zu. Am 29.05.2022 führte die Klägerin mit einem in der Drogerie gekauften Schwangerschafts-Schnelltest einen Schwangerschaftstest durch, der ein positives Ergebnis hatte. Sie bemühte sich sofort um einen Termin beim Frauenarzt, den sie aber erst für den 17.06.2022 erhielt. Am 13.06.2022, also nach Ablauf der oben genannten 3-Wochen-Frist, hat die Klägerin eine Kündigungsschutzklage anhängig gemacht und deren nachträgliche Zulassung beantragt. Am 23.06.2022 reichte sie ein ärztliches Zeugnis beim Arbeitsgericht ein, das eine bei ihr am 17.06.2022 festgestellte Schwangerschaft in der „ca. 7 + 1 Schwangerschaftswoche“ bestätigte. Im Mutterpass wurde als voraussichtlicher Geburtstermin der 02.02.2023 ausgewiesen. Danach hatte die Schwangerschaft am 28.04.2022 begonnen (Rückrechnung vom mutmaßlichen Tag der Entbindung um 280 Tage). Die Klägerin hat gemeint, die Kündigungsschutzklage sei gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG nachträglich zuzulassen. Die Beklagte vertrat die Rechtsauffassung, diese Vorschrift sei nicht einschlägig. Die Klägerin habe bereits durch den positiven Schnelltest am 29.05.2022 und damit binnen der sogenannten 3-Wochen-Frist sichere Kenntnis von ihrer Schwangerschaft gehabt. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben der Klägerin recht und haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben.
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Die ausgesprochene Kündigung sei wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot aus § 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG unwirksam. Das Gegenteil werde nicht aus § 7 HS 1 KSchG fingiert. Zwar habe die Klägerin mit der Klagerhebung am 13.06.2022 die am 07.06.2022 abgelaufene Klagefrist nicht gewahrt. Diese Frist sei zwar mit dem Zugang des Kündigungsschreibens angelaufen. Der Fristbeginn richte sich jedoch nicht nach § 4 S. 4 KSchG, denn die Beklagte hatte im Kündigungszeitpunkt keine Kenntnis von der seinerzeit bereits bestandenen Schwangerschaft der Klägerin. Die verspätet erhobene Klage sei jedoch gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG nachträglich zuzulassen. Die Klägerin habe aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst mit der frühestmöglichen frauenärztlichen Untersuchung am 17.06.2022 positive Kenntnis davon gehabt, dass sie bei Zugang der Kündigung am 14.05.2022 schwanger gewesen sei. Der zuvor durchgeführte Schwangerschafts-Schnelltest vom 29.05.22 habe ihr diese Kenntnis nicht vermitteln können, urteilten die BAG-Richter auch in letzter Instanz.