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Urlaub ist tatsächlich unverzichtbar

20. Juni 2025

Das BAG hat mit Urteil vom 03.06.2025 – 9 AZR 104/24 – klargestellt, dass in gerichtlichen Vergleichen nicht vereinbart werden kann, dass Urlaubsansprüche in natura gewährt worden sind, wenn der betroffene Arbeitnehmer aufgrund durchgehender Erkrankung nie Gelegenheit hatte, den Urlaub überhaupt anzutreten.

Eine Arbeitgeberin und ein Arbeitnehmer einigten sich im März 2023 in einem Kündigungsrechtsstreit auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Ende April 2023 gegen Zahlung einer Abfindung. Der Vergleich enthielt auch eine Regelung, wonach sämtliche Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers bereits in natura gewährt worden seien. Tatsächlich war der Arbeitnehmer vom Beginn des Jahres 2023 an bis zum Vergleichsschluss durchgängig arbeitsunfähig erkrankt und dies auch im Anschluss bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Nachdem der Vergleich zustande kam und die Abfindung ausgezahlt worden war, klagte der Arbeitnehmer nachträglich auch noch Urlaubsabgeltung für den anteiligen gesetzlichen Urlaub im Jahr 2023 ein. Der Arbeitnehmer vertrat die Auffassung, die Regelung im Vergleich zur Gewährung des Urlaubs in natura stelle einen unwirksamen Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub des Jahres 2023 dar, weil er aufgrund seiner bis zum Beendigungstermin durchgängigen Erkrankung nie besagten Mindesturlaub hätte tatsächlich antreten können.

Das BAG bestätigte diese Rechtsauffassung. Urlaub sei abzugelten, wenn dieser wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden könne. Die Regelung im Vergleich zur Gewährung in natura sei nichtig. Die Vergleichsregelung ziele auf einen Ausschluss des gesetzlichen Mindesturlaubs ab und verstoße deshalb gegen § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG. Von den Bestimmungen des BurlG dürfe vertraglich nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, was auch für vertragliche Abreden in einem gerichtlichen Vergleich gelte.

Nach dem BAG lag auch kein sogenannter Tatsachenvergleich vor, bei dem § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG nicht anzuwenden wäre. Für einen Tatsachenvergleich sei nämlich erforderlich, dass Streit über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden könne. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses sei aber beiden Parteien klar gewesen, dass der Arbeitnehmer aufgrund durchgängiger Erkrankung bisher keinen Urlaub im Jahr 2023 hatte antreten können.

Den Einwand der Arbeitgeberin, das arbeitnehmerseitige Berufen auf den Urlaubsanspruch sei treuwidrig, weil der Arbeitnehmer sich nachträglich nicht mehr an eine selbst mitvereinbarte Regelung halten wolle, wies das BAG mit der Begründung zurück, dass die Arbeitgeberin nicht auf den Bestand einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung vertrauen durfte.

Der BAG-Fall zeigt die Probleme von allzu leichtfertigen Formulierungen in Vergleichen zum Thema Urlaub. Die Wertungen lassen sich aber auch auf Aufhebungsverträge, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander schließen, übertragen. Es ist davon auszugehen, dass die Arbeitgeberin im BAG-Fall der letztlichen Höhe der Abfindungszahlung im gerichtlichen Vergleich auch deshalb zustimmte, da sie davon ausging, die Angelegenheit damit wirtschaftlich vollständig abzuschließen und später nicht auch noch Urlaubsabgeltung zahlen zu müssen. Eine Annahme, die schließlich sogar zu einer Art doppelten Zahlung geführt hat. 

Wenn Urlaub in irgendeiner Form in einem gerichtlichen Vergleich oder auch in einem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten Aufhebungsvertrag verrechnet oder angerechnet werden soll, ist zukünftig immer darauf zu achten, ob es überhaupt möglich war, dass dieser genommen wird.

Dringend gewarnt wird vor Regelungen, wonach die zustehende Urlaubsabgeltung zur Erhöhung der Abfindungssumme genutzt wird, um Sozialversicherungsbeiträge zu sparen und zugleich in irgendeiner Form vereinbart wird, dass Urlaubsansprüche nicht mehr bestehen. Wer sich auf solch eine Strategie als Arbeitgeber einlässt, läuft nicht nur Gefahr, Probleme mit der Sozialversicherung zu bekommen, sondern auch quasi doppelt (nämlich höhere Abfindung und später doch noch Urlaubsabgeltung) zahlen zu müssen.

Die Juristen des Handelsverbandes helfen Ihnen bei Aufhebungsvertragsverhandlungen und gerichtlichen Vergleichen. Lassen Sie sich gerne durch diese bei anstehenden Verhandlungen beraten.