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Virtuelle Betriebsratssitzungen

16. Januar 2025

Aus Anlass der Covid-19-Pandemie durften Betriebsräte ausnahmsweise und befristet Betriebsversammlungen virtuell durchführen. Durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz aus dem Jahr 2021 wurde die Möglichkeit virtueller Sitzungen in § 30 BetrVG gesetzlich verankert. Die Durchführung virtueller Betriebsratssitzungen ist auch für den Arbeitgeber von besonderer Bedeutung. Denn etwaige Fehler des Betriebsrats bei der Vorbereitung und Durchführung virtueller Sitzungen können zur Unwirksamkeit von Betriebsratsbeschlüssen führen. Das Wichtigste in Kürze:

Die wesentlich erweiterte Vorschrift des § 30 BetrVG (Neuregelung kursiv) lautet wie folgt:

(1) Die Sitzungen des Betriebsrats finden in der Regel während der Arbeitszeit statt. Der Betriebsrat hat bei der Ansetzung von Betriebsratssitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitgeber ist vom Zeitpunkt der Sitzung vorher zu verständigen. Die Sitzungen des Betriebsrats sind nicht öffentlich. Sie finden als Präsenzsitzung statt.

(2) Abweichend von Absatz (1) Satz 5 kann die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn

  1. die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind,
  2. nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und
  3. sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

    Eine Aufzeichnung der Sitzung ist unzulässig.

(3) Erfolgt die Betriebsratssitzung mit der zusätzlichen Möglichkeit der Teilnahme mittels Video- und Telefonkonferenz, gilt auch eine Teilnahme vor Ort als erforderlich.

Damit hat der Gesetzgeber den Vorrang der Präsenzsitzung festgeschrieben. Die virtuelle Sitzung soll die Ausnahme bleiben.

Vom Anwendungsbereich her sind virtuelle Sitzungen möglich für den Betriebsrat und seine Ausschüsse. Gleiches gilt für Sitzungen des Gesamtbetriebsrats und des Konzernbetriebsrats. Dagegen sind virtuelle Sitzungen für Betriebsversammlungen und Sitzungen der Einigungsstelle nicht eröffnet.

Für die Durchführung der virtuellen Sitzung und gegebenenfalls die Wirksamkeit anlässlich dieser Sitzung gefasster Beschlüsse müssen folgende drei Voraussetzungen erfüllt sein:

Regelung in der Geschäftsordnung (Nr. 1)

Zunächst muss überhaupt eine Geschäftsordnung vorliegen, die der Betriebsrat beschlossen hat, in der die Voraussetzungen für eine virtuelle Sitzung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt wurde.

Kein fristgerechter Widerspruch (Nr. 2)

Ein Viertel des Betriebsrats kann durch Widerspruch die Teilnahme einzelner Mitglieder oder die virtuelle Sitzung als solche verhindern. Zu diesem Zweck muss der Betriebsratsvorsitzende in der Einladung zur Betriebsratssitzung eine angemessene Widerspruchsfrist festsetzen. Was eine angemessene Widerspruchsfrist ist, bleibt eine Einzelfallentscheidung und wird im Zweifel durch die Gerichte überprüft. Ein entsprechender Widerspruch muss gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden erklärt werden. Dies kann sogar formlos und ohne Begründung erfolgen.

Sicherstellung der Nichtöffentlichkeit (Nr. 3)

Die Wahrung der Nichtöffentlichkeit gilt auch für virtuelle Sitzungen. D. h. Dritte dürfen vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Es handelt sich nicht um eine Vertraulichkeitsgarantie, sondern die Sicherstellung der Nichtöffentlichkeit durch den Betriebsrat durch technische und/oder organisatorische Maßnahmen, deren Kosten der Arbeitgeber gemäß § 40 Absatz 2 BetrVG zu tragen hat.

Rechtsfolgen bei Fehlern:

Die Durchführung einer virtuellen Sitzung unter Verstoß gegen die Vorgaben des § 30 Absatz 2 Satz 1 BetrVG oder gegen die Geschäftsordnung kann die Unwirksamkeit der anlässlich der Sitzung gefassten Beschlüsse nach sich ziehen. Belastbare Rechtsprechung liegt hierzu bisher nicht vor.

FAZIT:
Die Durchführung virtueller Betriebsratssitzungen ist fehleranfällig. Zunächst ist eine sorgfältige Regelung in der Geschäftsordnung oberstes Gebot. Das ob und wie der virtuellen Sitzung darf nicht allein dem Betriebsratsvorsitzenden übertragen werden. Schließlich bleibt es bei dem Vorrang der Präsenzsitzung.