Rückzahlung von Fortbildungskosten bei Nichtbestehen der Prüfung

Auch im Einzelhandel fördern viele Arbeitgeber die berufliche Fortbildung ihrer Mitarbeiter durch vollständige Übernahme oder Bezuschussung von Lehrgangskosten, Prüfungsgebühren, Unterbringungs- oder Fahrtkosten sowie Lohnfortzahlung. Teilweise liegen diese Kosten im fünfstelligen Bereich. In den meisten Fällen vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Arbeitnehmer nach erfolgreichem Abschluss der Fortbildung eine gewisse Zeit bei dem Arbeitgeber bleiben muss (Bindungsdauer), ansonsten muss der Arbeitnehmer die Fortbildungskosten ganz bzw. teilweise zurückzahlen. Dass der Arbeitnehmer im Prinzip zu einer Rückzahlung von Fortbildungskosten verpflichtet sein kann, wenn er das Unternehmen durch Eigenkündigung vorzeitig verlässt, ist von der Rechtsprechung seit vielen Jahren anerkannt.

Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt mit Urteil vom 25.04.2023 – 9 AZR 187/22 – entschieden, dass auch einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung zu beteiligen hat, wenn er diese nicht beendet, auch grundsätzlich zulässig sind.

Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Die Richter stellten jedoch fest, dass es nicht zulässig ist, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das wiederholte Nichtablegen der angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne die Gründe dafür zu betrachten. Jedenfalls praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, müssen von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden, stellten die Richter fest.

Die vom Arbeitergeber (mit-) verantwortete Kündigung des Arbeitnehmers stellt im Arbeitsleben keinen so fernliegenden Tatbestand dar, dass sie in einer Härtefallklausel, die Ausnahmen von der Rückzahlungspflicht vorsieht, nicht gesondert erwähnt werden müsste.

Im konkreten Fall ging es um eine Buchhalterin in einer Steuerberatungskanzlei, die ab August 2017 an einem Lehrgang zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung 2018/2019 teilnahm, die Steuerberaterprüfung jedoch weder im Jahr 2018 noch in den Jahren 2019 und 2020 antrat. Vielmehr kündigte die Arbeitnehmerin ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14.05.2020 zum 30.06.2020. Der Arbeitgeber nahm seine Mitarbeiterin nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung auf Rückzahlung von ca. 4.000 EUR Fortbildungskosten in Anspruch.

Nachdem das Arbeitsgericht Lingen und das Landesarbeitsgericht Niedersachsen dem Arbeitgeber Recht gaben, wurde die Klage auf Rückzahlung der Fortbildungskosten in letzter Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht gekippt. Es sei nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das wiederholte Nichtablegen der angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne die Gründe dafür zu betrachten. Entsprechend den Wertungen aus der Rechtsprechung müssen nach Auffassung der BAG-Richter jedenfalls praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung außerhalb der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden. Da im abgeschlossenen Fortbildungsvertrag ein solcher Rückzahlungsausschluss nicht vorgenommen worden sei, stelle dies eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB mit der Folge dar, dass der Arbeitnehmer die Fortbildungskosten nicht zurückzahlen muss.